"Hooligans" - Schrecken des Fußballs

(-03- 07.04.2000) - Es ist nicht zu fassen, welche Schreckensmeldungen einige Vollidioten als Begleitung der nationalen und internationalen Fußballszeneverbreiten. Letzter Höhepunkt war die Auseinandersetzung britischer und türkischer "Fans" am 05. April 2000 in Istanbul anläßlich des UEFA-Cup-Halbfinales zwischen Galatasaray Istanbul und Leeds United, bei der nach einer Messerstecherei zwei britische Personen getötet worden sind. Das war in dieser Woche die vierte Meldung über ähnliche Vorfälle. Am letzten Wochenende gerieten sich Hooligans des ostdeutschen Regionalligaspiels VfB Leipzig und FC Sachsen in die Wolle. Zwei private Sicherheitskräfte wurden am Kopf verletzt, und 30 Sachsen-Anhänger stürmten die Vereinsgaststätte des VfB, wobei Schaukästen, Mobilar und Türen zerstört wurden. In Sevilla wüteten 100 Anhänger ihres FC nach dem Spielverlust gegen La Coruna. Sie besetzten die Kabine des Schiedsrichters, der ihre Mannschaft vermeintlich benachteiligt hatte, und zündeten mehrere Autos sowie einen Übertragungswagen an. In Italien gab es zur gleichen Zeit bei der Begegnung der 2. Liga zwischen Bergamo und Brescia eine gewalttätige Auseinandersetzung zwischen den Fans beider Vereine, bei denen es zahlreiche Verletzte - darunter 15 Polizisten, die im Krankenhaus behandelt werden mußten - und 40 Festnahmen gab.

Solche gewalttätigen Typen scheinen den Verstand verloren zu haben. Noch in guter Erinnerung ist der Gewaltakt deutscher Hooligans vom Juni 1998 beim Weltmeisterschaftsspiel Deutschland - Jugoslawien im französischen Lens, wo der Gendarm Daniel Nivel zum Krüppel geschlagen worden war. Die Täter sind von einem deutschen Gericht inzwischen zu langjährigen Freiheitsstrafen verurteilt worden. Gut so! Die meisten anderen Schreckensereignisse sind schon (fast) vergessen.340 Menschen starben bei der bisher größten Katastrophe 1982 beim Europapokalspiel zwischen Spartak Moskau und dem FC Haarlem.Zuvor gab es schon 1977 einen Todesfall beim Bundesligaspiel zwischen dem Hamburger SV und dem FC Bayern München, als hunderte von Zuschauern die Stufen der Westtribüne hinunterfielen und 21 Tote im Februar 1981 nach dem türkischen Meisterschaftsspiel Olympiakos Piräus - AEK Athen, die in einem Stau starben, weil ein Ausgangstor nicht rechtzeitig geöffnet worden war.

Im Mai 1985 starben insgesamt 95 Menschen. 56 verbrannten im englischen Bradford beim Brand einer Holztribüne und 39 beim Zusammenbruch einer Tribünenmauer beim Endspiel um den Europapokal der Landesmeister zwischen FC Liverpool und Juventus Turin, nachdem die Fans beider Klubs aneinander geraten waren. Erneut gab es 95 Tote infolge Sturzverletzungen bei der Flucht von einer Tribüne beim Semifinale des englischen Pokals im April 1989 in Sheffield zwischen dem FC Liverpool und Nottingham Forest. Und wieder war es eine Zusatztribüne, die zum Tod von 17 Zuschauern führte; diesmal im Mai 1992 beim Pokalspiel zwischen Bastia und Marseille.

Im Juni 1998 gab es nach brutalen Auseinandersetzungen zwischen Engländern, Franzosen und Tunesiern beim Weltmeisterschaftsspiel zwischen England und Tunesien in Marseille 16 Schwerverletzte. Und im Oktober des vergangenen Jahres starb ein 17jähriger bei Ausschreitungen während des Spiels zwischen Partizan und Roter Stern Belgrad, als er von einer Leuchtrakete getroffen worden war.

Man muß sich fragen, wann dieser Wahnsinn aufhören wird. Immer, wenn so etwas passiert, ist das Gezeter groß. Doch was hat sich bisher geändert? Nichts! Solange es erlaubt ist - vornehmlich bei internationalen Begegnungen - als Zuschauer teilzunehmen, wird es so weitergehen wie bisher. Kann das der Sinn eines Besuchs bei einem Fußballspiel sein, wenn die Ordnung nur durch überproportionale Präsenz von Sicherheitskräften aufrechterhalten werden kann? Die Polizeien reichen offenbar schon nicht mehr aus. In manchen Ländern müssen die Streitkräfte Verstärkungseinheiten bereitstellen. Und wer bezahlt solche Einsätze (übrigens auch die den deutschen Bundesligen)? Die Öffentlichkeit muß zahlen. Damit muß endlich Schluß sein. Ich fordere: Der Veranstalter - wer es auch immer sein mag - muß künftig die Einsätze öffentlicher Sicherheitskräfte bezahlen! Sowohl die FIFA als auch die UEFA und wohl auch der Deutsche Fußball-Bund und die Bundesliga-Vereine verfügen über soviele Finanzmittel, daß dies gefordert werden kann.

Und wenn das Sterben in Sportarenen trotz aller Vorsichtsmaßnahmen nicht aufhört, dann muß die ketzerische Frage erlaubt sein, wann endlich solche sportlichen Veranstaltungen "unter Ausschluß der Öffentlichkeit" ausgetragen werden müssen. Schließlich haben wir ja Fernsehen und Rundfunk. Über diese Medien muß der "Zuschauer" eben dann "sein" Spiel verfolgen. Ich weiß, allein der Gedanke an so etwas verursacht einen Aufschrei in der Bevölkerung. Und die Hooligans selbst? Sie können, wenn der Frust in ihnen wieder aufkommt, ihre eigenen Fernseh- oder Rundfunkgeräte kaputt schlagen. Das würde niemand stören, und kein anderer würde mehr verletzt oder gar getötet werden.

Nachtrag 1:

(24.06.2000) -  Inzwischen sind die Gruppenspiele der Fußball-Europameisterschaft in Belgien und den Niederlanden beendet. Beendet auch für die deutsche Nationalmannschaft, die mit nur einem Unentschieden gegen Rumänien Gruppen-Letzter geworden und demzufolge ausgeschieden ist. Beim Spiel gegen England, das die Engländer gewannen, gab es - wie befürchtet - wieder Randale britischer und deutscher Hooligans mit schweren Ausschreitungen; sie warfen mit Tischen, Stühlen und Flaschen. 16 Verletzte wurden registriert, darunter zwei Polizisten und 450 Festnahmen in Charleroi und schon in der Nacht zuvor in Brüssel 400 Festnahmen. Ein Belgier und ein Brite wurden bei einer Messerstecherei schwer verletzt. Die Invasion der Engländer hinterließ in Charleroi und Brüssel eine Spur der Verwüstung.

Und dann bemühen sich deutsche Vertreter - darunter Franz Beckenbauer und der (noch) Vizepräsident des Deutschen Fußball-Bundes, Meyer-Vorfelder - um die Ausrichtung der Fußball-Europameisterschaft 2006. "Die Chancen stehen gut", erklärte Beckenbauer. In meinen Augen müssen die Befürworter einer Europameisterschaft in Deutschland von allen guten Geistern verlassen sein. Wie kann man sich das antun? Wo doch zu befürchten ist, daß das Hooligan-Spektakel weitergehen wird. Niemand kann daran interessiert sein, daß in Deutschalnd randaliert wird, Fensterscheiben und Inventar zertrümmert, Autos angezündet und nicht zuletzt sogar Personen - darunter Polizisten - verletzt oder gar getötet werden.Ich wünsche den Städten eine feste Haltung gegenüber dem DFB. Ich wünsche, daß sich die Städte weigern werden, für derartige Spektakel ihre Stadien zur Verfügung zu stellen und daß sie sich ihrer Verpflichtung bewußt sind, Schaden von den Bürgern und ihren Städten abzuwehren.

Ich wünsche, daß der Verstand siegt. Aber wo ist der schon? Wenn man die Bilder sieht mit johlenden, gröhlenden, aggressiven Fans, muß man annehmen, daß zumindest diesem Personenkreis der Verstand abhanden gekommen ist.

Nachtrag 2:

(17.07.2000) - Nun ist es also doch geschehen: Mit einer Stimme Mehrheit vor Südafrika hat Deutschland den Zuschlag für die Ausrichtung der Fußballweltmeisterschaft 2006 erhalten. Und kaum ist dieser Akt protokolliert, bewerben sich schon sechzehn Städte, die ein Spiel oder mehrere Spiele bei der Weltmeisterschaft austragen möchten. Zunächst müssen jedoch für den Neu- oder Umbau sowie die Restaurierung oder Erweiterung dieser Stadien cirka 2,1 Milliarden Mark aufgewendet werden. Aber nicht nur die Städte, auch viele Andere erwarten einen hohen finanziellen Gewinn. Angeblich wird die deutsche Volkswirtschaft mit zehn Milliarden Mark an der Weltmeisterschaft profitieren. Bis zu einer Million ausländischer Besucher werden erwartet, was wiederum der Hotelbranche und den Sportartikelherstellern helfen soll. Es bleibt nur zu wünschen, daß all diese Prognosen auch in Erfüllung gehen und daß es den Veranstaltern nicht so ergeht wie bei der Weltausstellung in Hannover, die nach derzeitigen Erkenntnissen mit einem Verlust in Milliardenhöhe zu Ende gehen wird, weil die Besucher ausbleiben.Und die Schäden, die durch Hooligans zu erwarten sind, sind auch noch nicht gegengerechnet. Doch hierüber schweigt man lieber; es könnte ja das Bild einer heilen Welt und einer fröhlichen Weltmeisterschaft trüben.

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